Wie unter anderem die litauische Zeitung "Lietuvos Rytas" berichtet, leitet die Polizei in Vilnius allem Anschein nach kein Ermittlungsverfahren gegen RAMMSTEIN-Fronter Till Lindemann ein, nachdem sie die Vorwürfe von Shelby L. geprüft hat. Diese Entscheidung müsse allerdings noch von der Staatsanwaltschaft genehmigt werden.
Die Nordirin Shelby L. hatte Ende Mai via Social Media öffentlich gemacht, im Rahmen des RAMMSTEIN-Konzerts in Vilnius vermutlich mit K.O.-Tropfen betäubt worden zu sein. Es sei von ihr erwartet worden, Sex mit Lindemann zu haben. Dies lehnte sie eigener Aussage nach ab. Sie betonte jedoch, dass der Sänger zwar aggressiv reagiert, ihre Entscheidung jedoch akzeptiert und sie nicht vergewaltigt habe. Weiterhin habe Shelby am Abend des Konzerts Erinnerungslücken gehabt. Später habe sie mehrere Prellungen und Blutergüsse am Körper festgestellt.
RAMMSTEIN dementierten die Vorwürfe zuerst auf Twitter. Wenige Tage später veröffentlichten sie auch ein Statement bei Instagram: "Durch die Veröffentlichungen der letzten Tage sind in der Öffentlichkeit und vor allem bei unseren Fans Irritationen und Fragen entstanden. Die Vorwürfe haben uns alle sehr getroffen und wir nehmen sie außerordentlich ernst. Unseren Fans sagen wir: Es ist uns wichtig, dass ihr euch bei unseren Shows wohl und sicher fühlt – vor und hinter der Bühne. Wir verurteilen jede Art von Übergriffigkeit und bitten euch: Beteiligt euch nicht an öffentlichen Vorverurteilungen jeglicher Art denen gegenüber, die Anschuldigungen erhoben haben. Sie haben ein Recht auf ihre Sicht der Dinge. Wir, die Band, haben aber auch ein Recht – nämlich ebenfalls nicht vorverurteilt zu werden."
Weitere Frauen machten anschließend ebenfalls öffentlich, vor oder bei RAMMSTEIN-Konzerten für Pre- und/oder Aftershow-Partys mit Lindemann rekrutiert worden zu sein, um möglicherweise mit ihm Sex zu haben. Darunter auch die Schauspielerin/YouTuberin Kayla Shyx in einem Video.
Bereits beim RAMMSTEIN-Konzert am 18. Juli 2010 auf dem Festival d‘été de Québec in Kanada habe es aus dem Umfeld der Band eine Anfrage gegeben, Frauen für die Aftershow-Party zu rekrutieren. Dies berichtete der damalige Festival-Manager Daniel Gélinas gegenüber "I Heart Radio". Seiner Aussage nach lehnte das Veranstaltungsteam dies ab. Daraufhin seien Mitglieder der Band-Crew dennoch auf die Suche nach jungen Frauen gegangen. Samantha McKinley, die heutige Kommunikationschefin des Festivals, bestätigte Gélinas Schilderung.
2016 gab es eine ähnliche Schilderung einer früheren RAMMSTEIN-Anhängerin bei Tumblr. Auch sie habe Erfahrungen mit der sogenannten Row Zero und Aftershow-Partys gemacht, zu denen junge Frauen gelotst worden seien. Ihnen sei in Aussicht gestellt worden, die Band zu treffen. Der Schilderung zufolge sei das wahre Ziel jedoch gewesen, die Frauen für möglichen Sex mit Lindemann zu rekrutieren. Nachprüfbar sind die Behauptungen derzeit allerdings nicht. Weitere Vorwürfe verschiedener Frauen sind unter anderem bei rnd.de, NDR, der Welt am Sonntag und der Süddeutschen Zeitung nachzulesen.
Bei den jüngst stattgefundenen RAMMSTEIN-Konzerten in München soll es nach Forderungen der Bundesfamilienministerin Lisa Paus weder die Row Zero noch Aftershow-Partys gegeben haben. Dies berichtet unter anderem die Abendzeitung München.
Lindemann lässt sich von den Rechtsanwälten Simon Bergmann und Christian Schertz vertreten. Diese wollen rechtliche Schritte gegen die Verfasser:innen der Vorwürfe gegen den Sänger einleiten. Die Vorwürfe bezeichneten sie als "ausnahmslos unwahr". Auch gegen Medienberichte mit "unzulässiger Verdachtsberichterstattung" wolle man vorgehen. In einer Mitteilung bei Twitter heißt es dazu "In einer Vielzahl von Fällen ist es dabei zu einer unzulässigen Verdachtsberichterstattung gekommen. So wurde nicht nur versäumt, hinreichend Beweistatsachen zu recherchieren und zusammenzutragen, sondern zudem auch gegen die Vorgabe verstoßen, ausgewogen und objektiv zu berichten. In fast allen Fällen fand eine nachhaltige Vorverurteilung zulasten unseres Mandanten statt, was im Rahmen einer Verdachtsberichterstattung unzulässig ist. Schließlich wurde wiederholt versäumt, eine Stellungnahme unseres Mandanten einzuholen. Soweit gegen die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung verstoßen wurde, werden wir auch hiergegen für unseren Mandanten umgehend rechtlich vorgehen."
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) kritisiert indes die Bekanntmachung der Anwaltskanzlei Schertz Bergmann. "Die Drohung mit rechtlichen Schritten gegen Journalistinnen und Journalisten ist der Versuch, Medien einen Maulkorb anzulegen", so der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Medien sollen sich ihm zufolge nicht von der Pressemitteilung der Anwälte einschüchtern lassen: "Die Vorwürfe gegen den Frontmann einer der bekanntesten deutschen Bands sind so schwerwiegend, dass sie recherchiert und berichtet werden müssen."
Shelby L. habe derweil bereits eine Unterlassungsaufforderung erhalten, wie sie unter anderem dem NDR und auch in der ARD-Sendung "ttt" erklärte. Angst habe sie aber nicht, twitterte sie: "Macht mich bankrott, das ist mir egal. Ich kenne die Wahrheit. Ihr werdet mich nie zum Schweigen bringen."
Der aktuellen Lage rund um RAMMSTEIN-Sänger Till Lindemann widmete der Spiegel seine aktuelle Ausgabe.